Wofür steht die Sozialdemokratie in Europa?

"Wofür steht denn die Sozialdemokratie bei der Europawahl? Warum sollte man euch wählen?" 

Diese Frage wurde mir schon des Öfteren gestellt. Auch von Genoss*innen, die noch gar nicht so recht wissen, was sie auf diese Frage antworten sollen.

Die Europäische Union ist für mich ein Garant des Friedens und des Wohlstandes für die Bürger*innen der Mitgliedsstaaten. Eine Garantie, die gefährdet wird durch recht Kräfte, die der EU den solidarischen Charakter absprechen und ein Europa der Nationalstaaten forcieren wollen - nach britischem Vorbild.

Gerade im Angesicht des weltweiten Klimawandels und der Bekämpfung dessen ist es jedoch unumgänglich gemeinsam Verantwortung füreinander zu übernehmen und an einem Strang zu ziehen.

Landwirtschaft und Umweltschutz müssen demnach auch gemeinsam gedacht und an sich stets verändernden klimatischen Bedingungen angepasst werden.

Dies geht nur gemeinsam.

Nicht zuletzt braucht es auch deshalb auf eine starke EU, weil sie mehr und mehr aus Russland bedroht zu werden scheint. Eine starke EU bedeutet Schutz für uns alle, denn nur gemeinsam ist man stark.

 

Für mich stehen daher drei Themenbereiche im Fokus dieser Europawahl:

Landwirtschafts- und Umweltschutzpolitik, Soziale Politik in Europa und die europäische Demokratie.

Landwirtschaft und Umweltschutz

 

Der Klimawandel ist eine der bestimmenden Bedrohungen für uns alle. Die Landwirtschaft leidet in vielerlei Hinsicht unter den Folgen des Klimawandels - trägt aber als einer der größten Emittenten seinen Anteil am Klimawandel.

Daher kann man die Bekämpfung des Klimawandels nicht ohne die Landwirtschaft denken und Maßnahmen ergreifen. Bei der Anpassung an Klimafolgen darf die Landwirtschaft nicht alleine gelassen werden.

Daher setzt sich die Sozialdemokratie in Europa für folgende Projekte ein:

 

  • Green New Deal

Der Green New Deal verfolgt das Ziel, dass die Europäische Union bis zum Jahre 2050 als erster Kontinent überhaupt klimaneutral wird.

Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß um 55% im Vergleich zu 1990 reduziert werden.

Der Deal enthält diverse Maßnahmenpakete, um den Klimawandel abzufedern und Anpassungen an die Folgen des Klimawandels vorzunehmen, insbesondere in der Landwirtschaft, die als erste unter den Folgen des Klimawandels leidet.

Es sollen künftig 30% des zuletzt 1,8 Billionen Euro umfassenden Haushaltes der EU für Klimaschutzmaßnahmen aufgewandt werden.

 

  • Subventionspolitik 

Die Subventionspolitik der EU war nicht zuletzt wegen der "Bauernproteste" wieder Thema.

Wir wollen eine Abkehr von der bisherigen Praxis Subventionen nur nach der Größe eines Betriebes auszuzahlen und nicht nach der Art des Betriebes. Davon profitieren bislang vor allem große Betriebe, nicht aber kleine oder mittlere (Familien-)Betriebe. 

Insbesondere ökologisch nachhaltig arbeitende Betriebe sollten in Zukunft von Subventionen besser gestellt werden, um ihre Mühen um unseren Planeten zu unterstützen.

 

  • Fischfangquoten

Nachhaltigkeit betrifft auch Tierbestände, die das Rückgrat vieler Industrien und unserer Nahrungsversorgung darstellen.

Zum Schutz unserer Nahrungsgrundlagen und vieler (Fisch-)verarbeitender Jobs muss die Fischerei mit bestandsschützenden Quoten belegt werden, um auf lange Sicht Nahrungsgrundlagen zu schützen.

 

  • Plastikverbote

Plastikmüll belastet unsere Umwelt für Jahrhunderte. Die Reduzierung unnötiger Plastik-Verpackungen ist daher unser erklärtes Ziel.

 

Könnt ihr eure Vorhaben denn überhaupt umsetzen?

JA!

 

Am 27.02.2024 hat die EU das Nature Restauration Law beschlossen. Ein internationale einzigartiges Gesetz zum Schutz der Artenvielfalt. Bis 2030 müssen demnach 1/3 aller geschädigter Ökosysteme renaturiert werden. Bis 2050 sogar 95%. Aber das ist nur ein Anfang.



Soziale Politik in Europa

Die EU ist insbesondere auf grundsolider Solidarität und dem Einstehen füreinander gegründet worden.

Während Deutschland eines der wohlhabendsten und sozial abgesichertsten Länder der EU ist, besteht in einigen Ländern noch Nachholbedarf. Eine Anhebung sozialer Standards innerhalb der EU sichert den Wohlstand von Portugal bis Bulgarien - und entspannt Sozialsysteme allerorts.

 

Wie gestaltet sich die Sozialpolitik in Europa für uns Sozialdemokrat*innen?

 

  • Lieferkettengesetz

Trotz anfänglicher Blockade steht nun fest: die Mitgliedsstaaten der EU übernehmen Verantwortung dafür, dass im gesamten Prozess einer Lieferkette die Unternehmen garantieren, dass Menschenrechte gewahrt werden. Konkret heißt das, dass Waren von innerhalb der EU produzierender Unternehmen keinerlei Sklaven- oder Kinderarbeit oder sonstige Ausbeutung erfahren haben. 

  • Arbeitsbedingungen für Plattformangestellte

Plattformangestellte (bei Uber, Lieferando, Wolt, usw.) waren bislang oftmals auf sich alleine gestellt und durch Scheinselbstständigkeit sozial wenig abgesichert. Das kürzlich beschlossene Gesetz zur Plattformarbeit sichert Plattformangestellten soziale Absicherung zu und sichert ihnen mehr Rechtsansprüche zu. 

  • Europäischer Mindestlohn

Ein europäischer Mindestlohn sichert ein auskömmliches Einkommen in allen Mitgliedsstaaten. Damit werden Branchen gesichert und Jobs so auskömmlich, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Dies sichert langfristig Jobs und kurbelt die (lokale) Wirtschaft an. 

  • Richtlinie zum Schutz vor Gewalt

Nur Ja heißt Ja! Eine (sexuelle) Handlung, die ohne explizite Einwilligung aller Beteiligter vorgenommen wird, ist als Vergewaltigung zu behandeln und strafrechtlich zu verfolgen.

  • Verbraucher*innen Schutz

Das EU-Parlament und die Kommission setzen sich schon jetzt zur Wahrung von Verbraucher*innen-Rechten ein. Insbesondere wenn es David gegen Goliath heißt: META, TikTok, Google - gerade gegenüber Tech-Riesen wahrt die EU die Rechte von Verbraucher*innen

  • KI-Gesetz

Die europäische Union hat als erste Legislative überhaupt ein Gesetz beschlossen, dass die Nutzung von künstlicher Intelligenz regelt. Damit werden die Chancen, die KI bietet klar gefördert und Risiken eingedämmt. Zentraler Bestandteil: KI darf nicht verwendet werden, um ein System des Social Scorings einzuführen. In China wird flächendeckend KI gestützte Videoüberwachung eingesetzt, um das Verhalten der Bürger*innen in der Öffentlichkeit zu sanktionieren (Social Scoring) - diese Form der Überwachung wird es in der EU nicht geben.

Gerade für totalitäre, autokratische Regime wäre ein solcher Einsatz von KI ein Instrument der Repression.

  • Steuerschlupflöcher

Noch immer gibt es innerhalb der EU Steuerschlupflöcher.

"Steuerflucht" gilt zumeist als Kavaliersdelikt - es muss jedoch als das geahndet werden was es ist: Steuerhinterziehung und damit eine Form des Betruges. Die Opfer dieses Betruges sind Land auf Land ab sozial schwache Menschen, die auf einen liquiden Staat und soziale Leistungen angewiesen sind. Unternehmen müssen ihre Gewinne da versteuern, wo sie sie erwirtschaften und nicht in dem Mitgliedsstaat mit dem geringsten Besteuerungssatz!

 

 



Europäische Demokratie

Die europäische Union hat über Jahrzehnte diverse (individuelle) Freiheiten erkämpft: Reisefreiheit, Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmer*innenfreizügigkeit uvm.

Freiheiten, mit denen ich aufgewachsen bin, die für mich schon immer da waren - wie für viele andere auch, insbesondere die Erstwählenden bei dieser Europawahl.

Sie sind fast zu einer Selbstverständlichkeit verkommen.

Dass diese freiheitlichen Errungenschaften aber keine Selbstverständlichkeiten sind, dürfte uns dieser Tage nochmals deutlich werden, wenn rechte Kräfte erstarken und diese individuellen Freiheiten infrage stellen.

 

Gerade in Zeiten, in denen es eine starke und geeinte EU braucht, wollen rechte Populist*innen die EU abbauen, ihre Institutionen schwächen und nicht länger füreinander einstehen - getreu dem Motto "Denkt jede*r an sich, ist an alle gedacht".

Ein Trugschluss, wenn man denkt so den Wohlstand des einzelnen sichern oder gar mehren zu können - siehe Brexit.

 

Natürlich ist die EU nicht perfekt - das Parlament bedarf einer umfassenden demokratischen Reform, der mitgewachsene bürokratische Apparat bedarf einer Verschlankung.

Dies sollte aber kein Anlass sein das gesamte Projekt für gescheitert zu erklären, im Gegenteil: hier sollten wir uns verstärkt für konstruktive und progressive Kräfte einsetzen!

 

Für Deutschland muss auch klar sein: stellen wir uns alleine in die Welt, haben wir verloren. Wir sind ein hoch reguliertes Land - im positiven Sinne: unsere Qualitäts- und Sozialstandards setzen anderenorts Maßstäbe, unsere Ansprüche an Produktion und Qualität der Produkte auch. Standards, die wir auch innerhalb der EU setzen. Und deren Übernahme in anderen Ländern unsere Wettbewerbsfähigkeit steigert.

 

Die europäische Demokratie ist nicht einfach zu verstehen. Es ist kompliziert die vielen Verzahnungen und Komplexe zu überblicken, aber gerade weil es so kompliziert ist, kann es keine einfache Antwort auf die drängendsten Fragen unserer Zeit geben. Einfache Antworten auf komplizierte Fragen können niemals eine Lösung sein - doch das ist, was Populist*innen uns weiß machen wollen. Auf komplexe Fragen kann jedoch nur eine vollends durchdachte, komplexe Antwort die Lösung sein. Und diese bieten wir als Sozialdemokrat*innen an.