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Besuch beim Obsthof Stechmann


Vor kurzem durfte ich Diedrich Stechmann auf seinem Obsthof in Neuenkirchen bei uns im Alten Land, dem größten Obstanbaugebiet Europas, besuchen und mir einen Eindruck von seinem Hof und dem Leben als Obstbauer machen. Und soviel sei vorweggenommen: hinter Obstbau steht sehr viel mehr als man als Endverbraucher sieht.

 

Aber was hat das mit Europa bzw. meiner Kandidatur für das Europaparlament zu tun? Die Antwort ist: eine ganze Menge. Das Thema Pflanzenschutz ist ein vor allem durch EU-Recht hoch reguliertes Thema. Es wird angestrebt aus Umweltschutz- und Verbraucherschutzgründen immer weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Welche Mittel wann, wie und wie oft eingesetzt werden dürfen wird u.a. von der EU bestimmt. Das ist die eine Seite der Thematik. Auf der anderen Seite stehen die (Obst-)Bauern, die es umsetzen müssen. Die EU ist gerade in der Landwirtschaft immer ein großes und oft ein kritisches Thema. Daher ist es unerlässlich, sich mit beiden Seiten auseinanderzusetzen. 

 

Das erste, was ich bei meinem Besuch gelernt habe, ist, dass sich der Obstbau wesentlich vom Rest der Landwirtschaft unterscheidet, denn Obstbauern sind tatsächlich gelernte Gärtner. Auch die Pflanzenschutzmittel werden teilweise sehr anders eingesetzt. Das große Thema Glyphosat ist zwar auch beim Obstbau präsent, allerdings anders gelagert, so Herr Stechmann: „wenn ich das an meine Obstbäume ranlasse, sei es auch nur ein Blatt oder ein Zweig, dann ist der tot. Das landet bei mir nicht auf den Bäumen und somit nicht auf dem Produkt.“ Natürlich spielt auch der Effekt den das Mittel auf das Grundwasser hat eine Rolle, aber dennoch zeigt schon dieses Beispiel, dass eine genauere Differenzierung notwendig ist. Das ist auch die Quintessenz des Gesprächs mit Herrn Stechmann ganz allgemein zum Thema Pflanzenschutz. Im Obstbau besteht ein natürliches Interesse daran, die Umwelt und Nützlinge zu schützen und der Pflanzenschutz steht damit in Einklang. Es brauche um das zu Gewährleisten aber nicht pauschal weniger zugelassene Pflanzenschutzmittel, sondern durchaus mehr, vor allem spezifische Mittel, durch die genau gegen die entsprechenden Schädlinge und Krankheiten vorgegangen werden kann. Das schützt so im Endeffekt auch die Nützlinge. Im Obstbau essentiell. Ohne Nützlinge kein Obst. 

 

 

Auch der Klimawandel ist deutlich in der Branche zu spüren. Frühere Blüte, mehr und andere Schädlinge und Herausforderungen durch das Wetter. Obstanbau ist mehr als ein Vollzeitjob. Der sich in manchen Jahren noch nicht einmal rechnet, denn die Preise werden jedes Jahr vom Markt neu vorgegeben. Dabei können die Preise durchaus stark schwanken. Dieses Jahr sei mit ca. 60 Cent/kg für Äpfel noch in Ordnung. In den Vorjahren war der Preis deutlich niedriger. Die Produktionskosten auf anderer Seite sind hoch, denn es ist viel Arbeitskraft, teure Maschinen, Handarbeit und Fachwissen nötig. Der Anbau und die Ernte ist nur ein Teil des Ganzen. Sortierung, Vermarktung und vor allem die Lagerung nehmen ebenfalls einen großen Teil der Arbeit ein. Weitergegeben wird das Wissen oft in der Familie. Der Obsthof ist ein Familienunternehmen und jeder packt mit an – unbezahlt. Fachkräfte gibt es in dem Sinne nicht, denn wer Obstbau gelernt hat, besitzt am Ende auch einen eigenen Hof. Ergänzt wird die Arbeitskraft durch saisonale Gastarbeiter, inzwischen meist aus Rumänien. Auch hier hat die EU einen große Einfluss. Die Preise können u.a. deshalb so niedrig diktiert werden, da im Ausland für günstigere Preise eingekauft werden kann. Einem deutschen Obstbauern bleibt also keine Wahl, als den Preis mitzugehen oder auf seiner Ware sitzenzubleiben. Ein wesentlicher Faktor im Ausland sind die Personalkosten. Länder in denen es keinen Mindestlohn gibt, können Menschen aus Drittstaaten zu Niedriglöhnen anstellen und dadurch ihre Ware auch zu geringem Kilopreis absetzen. Herr Stechmann wünscht sich als möglichen Lösungsansatz eine deutliche Deklaration des Herkunftslandes. Für mich ist das ein perfektes Beispiel für ein Feld in dem ein europäischer Mindestlohn nicht nur gegen Ausbeutung in anderen EU-Staaten wirksam wäre, sondern auch positive Effekte auf die eigene Wirtschaft hätte. Wenn das Lohngefälle nicht mehr so eklatant hoch sein kann, haben höhere Kilopreise eine Chance ohne dass sich die EU-Staaten gegenseitig schaden.

 

 

Genau wie beim Thema Pflanzenschutz ist auch hier zu erkennen, dass in der Landwirtschaft (zu Recht) Unmut gegen EU-Regelungen herrscht. Die Lösungsansätze und der Schritt in die richtige Richtung liegen aber ebenfalls in der EU. Es handelt sich um komplexe Probleme, die eine komplexe Lösung verlangen. Anders als rechte Kräfte in Deutschland und der EU stehe ich mit der SPD für diese komplexen Lösungen. Populismus ist zu schön, um wahr zu sein und zu kurz gegriffen. Echte Lösungen, die nicht an anderer Stelle Probleme auftun, sind nicht von heute auf morgen zu erreichen. Es ist ein solidarischer Prozess, der langfristig und nachhaltig für Veränderung und Verbesserung sorgt. Dafür steht die EU und davon profitieren wir alle!

 

 

Ich hoffe, dass ich in nächster Zeit häufiger Einblicke in die Lebensrealität anderer bekommen darf, um herauszufinden, wo wir alle noch Berührungspunkte und auch Probleme mit der EU haben. Denn nur so können gute Lösungen gefunden und gute Politik gemacht werden.